Die fortschreitende Globalisierung verlangt von nahezu allen Unternehmen, sich zeitnahe an ein multivariates, oft zeit- und ortsungebundenes Wirtschafts-, Finanz- und Industrieumfeld anzupassen. Diese sind durch rasante, wenn nicht sogar teilweise revolutionäre Entwicklungen und Änderungen vor allem im digitalen Bereich gekennzeichnet. Ein wichtiger Baustein innerhalb dieser digitalen Dynamiken ist die nachhaltige und irreversible Veränderung einzelner Finanzbereiche in den Unternehmen sowie die dadurch bedingte Veränderung zahlreicher interner Geschäftsprozesse. Dazu zählt die Buchführung. Nun stellt sich hier die Frage, ob Deutschland die zukünftigen Finanzbereichsverantwortlichen und Mitarbeiter:innen auf diese Herausforderungen tatsächlich vorbereitet.
Von MMag. Dr. Martin Bauer, Professor für Berufsbildung und Wirtschaftspädagogik an der Allensbach Hochschule
Auch die Tageszeitung Welt beschäftigt sich in einem durchaus lesenswerten Artikel „Wirtschaftsunterricht an deutschen Schulen ist mangelhaft“ vom 18. Mai 2021 mit diesen Herausforderungen. Die Welt nimmt dabei besonderen Bezug auf die Wirtschaftsbildung unserer Jugend und damit auf die kommende Generation der zukünftigen Finanzbereichsverantwortlichen und Mitarbeiter:innen.
„[…] Von praktischen Dingen wie Steuern, Versicherungen oder Krediten wissen die meisten Jugendlichen ebenso wenig wie von wirtschaftspolitischen Zusammenhängen. Denn davon steht wenig bis nichts in den Lehrplänen. Auch ein Unternehmen haben die wenigsten Schulabgänger schon von innen gesehen. […]“
Ich möchte mich im Rahmen dieses Blogs aber insbesondere auf den Bereich der Wirtschaftspädagogik und im Speziellen auf die traditionelle Buchführung/Buchhaltung konzentrieren. Denn gerade in diesem Bereich lässt sich schon heute fast alles, manche Studien berichten von einer Reduktion des menschlichen Buchführungsaufwandes durch den Einsatz künstlicher Intelligenzen von bis zu 94 Prozent, digital erledigen. Auch das World Economic Forum beschreibt in seinem >The Future of Jobs Report< im Oktober 2020, dass der Accountant, also der oder die Buchhalter:in, nach den Datenerfasser:innen und Sekretär:innen der am drittstärksten zurückgehende Beruf sein wird.
Dies stimmt auch mit einer etwas älteren Oxfordstudie „The future of employment: How susceptible are jobs to computerisation?“ überein. Weiters ist natürlich 2021 der Digitalisierungsbeschleuniger COVID-19 in dieser Entwicklung mitzudenken und zu kalkulieren. „[…] the pandemic has accelerated many of the trends around the future of work dramatically shrinking the window of opportunity to reskill and transition workers into future-fit jobs […]” sagt Hamoon Ekhtiari, CEO of FutureFit AI.
Wie muss also die Buchhaltungsausbildung zukünftig aussehen? Wie müssen die Lehrer und Lehrerinnen in diesem Bereich geschult werden, um unsere Jugend auf die bevorstehenden und teilweise schon gegenwärtigen Aufgaben vorzubereiten. Braucht es prospektiv gesehen den traditionellen Beruf des Buchhalters/der Buchhalterin in der Buchführung überhaupt noch? Wenn ja, welche Kompetenzen, welche Fähigkeiten und welches unmittelbar umsetzungsrelevante und praxisrelevante Wissen muss ihm oder ihr vermittelt werden, um gewappnet den zukünftigen digitalen Herausforderungen entgegentreten zu können und den Beruf zu erledigen?
Zur Beantwortung all dieser Fragen müssen zuerst folgende Punkte geklärt werden:
Um hier Aussagen treffen zu können, wurde vorerst der diesbezügliche Status erhoben. Dazu wurden Lehrpläne zahlreicher beruflicher Schulen in Deutschland und Österreich auf den Bereich Buchführung/Buchhaltung hin analysiert.
Die zentralen Lehrinhaltsthemen in diesem Bereich lauten auszugsweise wie folgt:
Diese sehr punktuell konzentrierte Enumeration der Lehrinhalte stellen überblicksmäßig die identifizierten Kernpunkte der analysierten Lehrpläne dar. Gleichzeitig gilt, dass in den einzelnen (Bundes-)Ländern verschiedene Lehrpläne mit zusätzlichen oder alternativen Themensetzungen in den verschiedenen Ausbildungsberufen und verschiedenen Schultypen existieren. Diese Aufzählung kann damit nicht taxativ sein.
Als nächster Schritt fanden, zusätzlich zur Analyse von Lehrplänen und einer detaillierten Literaturrecherche, Gespräche mit den verschiedensten befassten Anspruchsgruppen aus dem Bereich der Buchführung/Buchhaltung (Lehrpersonen aus dem Finanzbereich, Steuerberater:innen, Wirtschaftsprüfer:innen, verantwortliche Personen [Geschäftsführer:innen, Mitarbeiter:innen und/oder Leiter:innen im Rechnungswesen]) statt. Aus diesen – zum großen Teil ausgesprochen aufschlussreichen – Gesprächen konnten die nachfolgenden zentralen Aufgabenbereiche der Buchführung für die zukünftigen Buchhalter:innen deriviert werden. Es wurde von den Gesprächspartner:innen aber auch als wichtig empfunden aufzuzeigen, welche Aufgaben sich zukünftig – und in manchen Institutionen schon heute – erübrigen. Damit werden nachfolgend auch diese Aufgaben angeführt.
Aufgaben, die zukünftig entfallen oder schon entfallen sind:
Zentrale Zukunftsanforderungen und -aufgaben:
Aus den Gesprächen und den Recherchen kann subsummiert werden, dass es den Beruf des Buchhalters/der Buchhalterin also noch länger geben wird. Allerdings wird sich das Aufgabenprofil deutlich verändern. Die Buchhalter:innen von morgen werden von Zahlenjongleur:innen und Mitarbeiter:innen mit einer Vielzahl von repetitiven und dateneingebenden Tasks zu analysierenden und kontrollierenden Schnittstellenmanager:innen zwischen IT und Zahlenwerk. Sie werden zu unternehmensinternen Finanz- und Steuerberater:innen, zu prognostizierenden Investitionsprofis, zu empathischen Kommunikationsexpert:innen, zu kreativen FinanzstrategInnen und zu prozessoptimierenden Controller:innen einer völlig digitalisierten und cloudbasierten Zahlenwelt. Sie werden zu, kooperativ mit der Geschäftsführung, steuernden papierlosen Finanzmitarbeiter:innen.
Ganz klar ist, dass formale Fort-, Aus- und Weiterbildung sowie non-formale und handlungsorientierte Systeme zur Vermittlungsunterstützung eine wegweisende Rolle spielen werden. Vor allem muss der Schwerpunkt auf die erweiterten sowie vertiefenden Qualifikationserfordernisse, also auf die Fort-, Aus- und Weiterbildung der zukünftigen, aber auch der gegenwärtigen Lehrpersonen – im eigentlichen Sinne Wirtschaftspädagog:innen – im Bereich der Finanzwirtschaft gelegt werden. Denn sie sind es, die den zukünftigen Buchhalter:innen, Finanzverantwortlichen, Controller:innen, Finanzexpert:innen usw. einen ersten Einblick, eine Idee, die handlungsorientierte und theoretische Basis für ihre zukünftigen Tätigkeiten vermitteln.
Die avisierten Themenstellungen im Bereich der Digitalen, der Beratungs-, der Finanz- und der Kommunikationskompetenzen sind evident. Zum Beispiel zeigen sie einen deutlichen Richtungswechsel an. Diese Themen sind im Rahmen einer kreativen, zukunftsweisenden produktiven Lehrplanrezeption den Schüler:innen der kaufmännischen Berufe und in den allgemeinbildenden Schulen zu vermitteln. Allerdings muss auch im Bereich der Hochschulen und Universitäten im Bereich der Wirtschaftspädagogik themenspezifisch nachgeschärft werden. Denn es gibt noch einige Einrichtungen, die mit digitalen Themen und im Bereich der Online-Lehre hinterherhinken.
Dies ist ein hochspannendes und vor allem aktuelles Thema für alle Studierenden im Master-Studiengang „Master Wirtschaftspädagogik (M.A.)“. Sie können sich bereits jetzt in ihrem Studium mit diesen Fragen auseinandersetzen und später ihre Schüler:innen auf diese Herausforderungen vorbereiten und damit die Wirtschaft und Industrie von morgen maßgeblich unterstützen.
In Deinem persönlichen Studienführer findest du alle wichtigen Informationen zu deinem Studiengang.