Bei Darlehen, die nicht sofort abgerufen oder die nur in Tranchen abgerufen werden, hält die Bank das Darlehen vom Abschluss aus bereit, bis der Darlehensnehmer oder die Darlehensnehmerin das Darlehen komplett abgerufen hat. Diese Frist kann sich ohne weiteres über viele Monate oder auch über ein Jahr hinaus erstrecken. Für dieses Bereithalten verlang die Bank in aller Regel Bereitstellungszinsen. Diese werden auch Bereithaltungszinsen oder Bereitstellungsprovision genannt.
Offensichtlich sind die Bereitstellungszinsen über die Jahre weitgehend bei 3% unverändert geblieben, während die Darlehenszinsen stark gesunken sind. Standen die Zinsen für grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen für Verbraucher:innen Mitte der 90er-Jahre noch bei deutlich über 8%, ist dieser Wert in der Gegenwart auf deutlich unter 2% gesunken. Dieser Beitrag untersucht, welche rechtlichen Grenzen für die Höhe der Bereitstellungszinsen bestehen.
Von Prof. Dr. Patrick Rösler, Professor für Bankrecht an der Allensbach Hochschule
Im Normalfall schließt die Bank ein Darlehen mit den Kunden:innen ab und zahlt das Darlehen nach Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen komplett aus. Dies entspricht dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrages nach §§ 488 ff. BGB. Häufig benötigen die Kunde:innen aber keine Vollauszahlung, eine Teilvalutierung genügt. Hintergrund kann sein, dass eine Kaufvertragszahlung beim Immobilienerwerb erst später fällig wird. Oder der Kaufpreis ist beim Erwerb von Teileigentum nach den Raten des § 3 MaBV nach dem Baufortschritt zu zahlen.
Bereitstellungszinsen werden häufig monatlich ausgewiesen. Seit Jahren oder gar Jahrzehnten liegen die Bereitstellungszinsen zwischen 0,15% und 0,3% pro Monat. Das entspricht also 1,8% bis 3,6% pro Jahr. Weit verbreitet sind Bereitstellungszinsen in Höhe von 0,25% pro Monat, also 3% pro Jahr. Manche Banken sind inzwischen allerdings dazu übergegangen, den Bereitstellungszins dem Sollzins des Darlehens anzupassen.
Entgelte gerade im Kreditgeschäft sind vielfach Gegenstand der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Auch die Vereinbarungen über Bereitstellungszinsen sind als AGB zu qualifizieren. Allerdings sind sie als Entgelt für eine Hauptleistung und als Gegenleistung für die Bereitstellung des Darlehens auf Abruf in ihrer Höhe nicht der AGB-Kontrolle unterworfen, Fragen der Transparenz können aber dennoch zur Unwirksamkeit führen.
Ist eine AGB-Kontrolle der Entgeltvereinbarung nicht möglich, können die Gerichte diese nur nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln kontrollieren, in der Regel findet dann die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit Anwendung, die im Grundsatz in § 138 BGB geregelt ist. Dies gilt auch für Bereitstellungszinsen.
Sittenwidrig und damit wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB unwirksam wäre eine Entgeltvereinbarung, die von Gesamtcharakter, Inhalt oder Beweggrund und Zweck die sittliche Durchschnittsauffassung der Rechtsgemeinschaftgrob verletzen würde, wobei auf die Umstände bei Vertragsschluss abzustellen ist. Nach der langjährigen Rechtsprechung des BGH verstoßen Entgelte dann gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und das Entgelt knapp doppelt so hoch ist wie der marktübliche Preis ist.
Bei einem Darlehen liegt Sittenwidrigkeit z.B. dann vor, wenn der Zinssatz bei 15% liegt und der Marktdurchschnitt 7,5% beträgt. In diesem Fall genügen auch allein objektive Komponenten zur Begründung der Sittenwidrigkeit. Kommen subjektive Komponenten hinzu wie das Ausnutzen einer Notlage des Kunden, kann diese Sittenwidrigkeitsschwelle auch absinken. Ist die Preisvereinbarung sittenwidrig, ist sie nach § 138 BGB nichtig und damit nicht anwendbar.
Die bisherige Rechtsprechung des BGH auf sittenwidrige Ratenkredite ist hier jedoch nicht 1:1 übertragbar. Denn die Frage wäre, was der durchschnittliche Marktzins für die Bereitstellungszinsen ist. Zwischenzeitlich haben bereits einige Gerichte (siehe z.B. OLG Karlsruhe Urteil vom 12.10.2021, 17 U 545/20) zu Gunsten der Banken entschieden, in dem sie einen Vergleich der Bereitstellungszinsen vorgenommen haben bzw. den Darlehenszins nicht als richtigen Vergleichsmaßstab zugelassen haben. Eine Entscheidung des BGH steht allerdings noch aus.
Wenn die Bank die Refinanzierung abgeschlossen hat, das Darlehen aber nicht ausreichen kann, wird sie es anlegen. Der generierte Wiederanlagezinssatz schmälert also die Kosten für die Bereitstellungszeit. Rein rechnerisch ist der Aufwand der Bank für die Bereitstellungszeit also Refinanzierungskosten abzüglich Wiederanlagezinssatz. Ist der Wiederanlagezinssatz negativ, wie das lange Zeit üblich war, addieren sich die beiden Positionen im Ergebnis natürlich, da die Bank für die Wiederanlage einen zusätzlichen Aufwand hat.
Mit dieser finanzmathematischen Betrachtung wird klar, dass auch juristisch ein unmittelbarer Zusammenhangzwischen dem Aufwand für die Bereitstellung des Darlehens und dem Vertragszins besteht. Dies umso mehr, als dass die relevante Marktbetrachtung für den Bereitstellungszins und das entscheidungserhebliche Kriterium für Darlehensnehmer:innen auch der Vertragszins ist. Darum kann dieser Zusammenhang auch für die juristische Sittenwidrigkeitsbetrachtung herangezogen werden.
Für die Sittenwidrigkeitsbetrachtung wird der Einfachheit halber die Marge aus dem Kreditvertrag genommen. Diese Pauschalierung ist sachgerecht, da die Vereinbarung darüber zwischen Darlehensgeber:innen und Darlehensnehmer:innen schon geschlossen ist und den Anforderungen für die Sittenwidrigkeitsüberlegung genügt.
Refinanzierungskosten plus Marge aus dem Kreditvertrag ergeben den Vertragszins. Damit kann der Vertragszins als juristische Rechengrundlage für § 138 BGB herangezogen werden. Dies hat den Vorteil, dass die Bank die Refinanzierungskosten nicht offenlegen muss. Ebenso muss der Darlehensnehmer oder die Darlehensnehmerin diese im Zweifel nicht beweisen.
Bei der Annahme Vertragszins minus Wiederanlagezins wäre der Aufwand der Bank inklusive einer Marge für die Bereitstellungszeit also mit einer solchen Höhe der Bereitstellungszinsen komplett bezahlt. Mit diesem darlehenszinsadäquaten Bereitstellungsaufwand lässt sich als Grundlage für die Sittenwidrigkeit analog zur Sittenwidrigkeit beim Darlehenszins operieren.
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