Der Deutsche Bundestag hat Ende Juni das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ verabschiedet. Das neue Stiftungsrecht tritt zweistufig (1. Juli 2023 und 1. Januar 2026) in Kraft.
From Prof. Dr. Maximilian A. WerkmüllerProfessor of Finance and Family Office Management at the Allensbach University
Nach jahrelanger Vorbereitung hatte der Deutsche Bundestag Ende Juni das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ verabschiedet (Regierungsentwurf: BT-Drs. 19/28173; Beschluss-Drucksache: BR-Drs. 569/21). Der Bundesrat hat am gleichen Tage zugestimmt. Vorausgegangen war dem Gesetzespaket eine lange Diskussion darüber, in welchem Umfang eine Reform des geltenden Stiftungsrechts notwendig und geboten ist. Das bis heute geltende Recht ist nur sporadisch auf Bundesebene, nämlich in den Paragrafen 80 bis 88 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt.
Weitaus umfangreichere Regelungen befinden sich in den Stiftungsgesetzen der Bundesländer. Problematisch war stets, dass die Regelungen dort teilweise erheblich über den Rahmen hinausgehen, den das BGB vorgibt. De jure sind solche landesrechtlichen Regelungen nach Art. 31 Grundgesetz (GG) unwirksam. Das neue Recht nimmt gleichsam für sich in Anspruch, eine bundeseinheitliche Regelung anzubieten, die solche Mängel abstellt. Das neue Recht tritt zweistufig, einmal am 1. Juli 2023 und ein weiterer Teil am 1. Januar 2026, in Kraft.
Stiftungsrecht ist traditionell Landesrecht. Die Regelungen des BGB entstammen dem Jahr seines In-Kraft-Tretens (1. Januar 1900). Die wenigen bundesgesetzlichen Regelungen ließen den Ländern breiten Raum, eigene Regelungen für Stiftungen zu treffen. Das haben sie auch getan. In der Praxis führten insbesondere die beschriebenen hierarchischen Wertungsunterschiede zu Problemen, nicht nur bei potenziellen Stiftern, sondern auch bei den staatlichen Aufsichtsbehörden. Auch die weitläufigen Verweise auf das Vereinsrecht erwiesen sich in der Praxis als schwer handhabbar.
Es bestand kein Zweifel, dass eine grundlegende Überarbeitung erforderlich wäre. In der Folge war unter der Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im November 2014 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ eingesetzt worden, die im September 2016 ihren ersten Bericht der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vorgelegt hat. Nach Anhörung von Sachverständigen und weiteren Stellungnahmen wurde im Februar 2018 eine überarbeitete Fassung des Berichts veröffentlicht.
Die Innenministerkonferenz hatte im Juni 2018 das BMJV beauftragt, auf der Grundlage des zweiten Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Gesetzesentwurf zur Reform des Stiftungsrechts zu erarbeiten. Im Jahr 2020 legte das BMJV den Referentenentwurf vor. Aus ihm heraus wurde die Gesetzesvorlage entwickelt.
Anders als im derzeit noch geltenden Recht wird im neuen Recht der Stifterwille ausdrücklich zum obersten Primat für die Stiftung, ihre Organe aber auch für die Stiftungsbehörden erhoben. Dabei soll es insbesondere auf den bei der Errichtung der Stiftung – ausdrücklich oder mutmaßlich – zum Ausdruck gekommenen Stifterwillen ankommen. Folglich ist dieser Stifterwille ist maßgeblich – spätere Änderungen desselben sind es nicht (mehr).
Die Stiftung selbst wird vom neuen Recht mehr als es im geltenden Recht der Fall ist als Institution geschützt. Somit ist eine rechtsfähige Stiftung eine Körperschaft und Trägerin von Rechten und Pflichten. In ihre Organisationsstruktur soll nicht nach Gusto eingegriffen werden können, sondern nur dann, wenn (zwingende) Gründe es erfordern. Mit dem neuen Recht wird folglich ein Prinzip der „Satzungsstrenge“ eingeführt, welches bis dato nur im Aktienrecht bekannt war.
Erstmals wird der Begriff einer Stiftung rechtlich definiert. Nach dem neuen § 80 Abs. 2 BGB ist eine Stiftung eine „mit einem Vermögen zur dauernden und nahhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose, juristische Person.“
Leitbild des neuen Rechts ist nach wie vor die sogenannte „Ewigkeitsstiftung“, die auf unbestimmte Zeit errichtet wird. Mit dem neuen Recht wird, allerdings erst zum 1. Januar 2026, ein öffentliches Stiftungsregister eingeführt. Dieses hat Publizitätswirkung, und jedermann kann Einsicht nehmen. Auch Bestandsstiftungen sind in dieses Register einzutragen. Geführt wird es vom BMJV.
Last but not least verhält sich das neue Recht erstmals zu den sogenannten Umschichtungsgewinnen und definiert die Vermögensbestandteile einer Stiftung. Es wird in das Grundstockvermögen (welches ungeschmälert zu erhalten ist) und das sonstige Vermögen getrennt, welches insbesondere Spenden umfasst.
Das neue Recht trifft im fachwissenschaftlichen Schrifttum nicht auf ungeteilte Zustimmung. Insbesondere die Rolle des Stifters und die durch das neue Recht erheblich eingeschränkten Möglichkeiten, nach Anerkennung der Stiftung Änderungen in ihrer Organisationsstruktur vorzunehmen, wird als praxisfern bezeichnet. In der Tat entscheidet sich das neue Recht im direkten Vergleich der Einflusssphären für die Stiftung und gehen ihren Stifter. Dies ist, wie man in der amtlichen Gesetzesbegründung nachlesen kann, erwünscht und gewollt. Die Rechtspersönlichkeit der Stiftung geht vor. Derzeit enthalten zahlreiche Stiftungssatzungen aber „Allmachtsklauseln“, nach denen der Stifter – freilich nur, solange er dem Stiftungsvorstand angehört – auch ohne Mitwirkung dieses Stiftungsorgans satzungsändernde Beschlüsse herbeiführen kann.
Was nach derzeit noch geltendem Recht möglich ist, funktioniert demnach ab dem 1. Juli 2023 nicht mehr. Die vom Gesetzgeber vorgegebene Übergangsphase vom geltenden zum neuen Recht wurde bewusst so gestaltet, damit Bestandsstiftungen, für welche das neue Recht ebenfalls uneingeschränkt gilt, die Möglichkeit erhalten, für notwendig erachtete Satzungsanpassungen noch vor dem In-Kraft-Treten vorzunehmen. In der Praxis haben derartige Klauseln eine große Bedeutung, vermeiden sie doch zähe Meinungsbildungsprozesse innerhalb oder sogar zwischen den Stiftungsorganen.
Zwar kann der Stifter von den durch das neue Recht vorgegebenen Voraussetzungen für eine Änderung des Stiftungszwecks oder ihrer Organisationsstruktur abweichen. Diese Möglichkeit ist allerdings auf die sogenannte „Errichtungssatzung“ beschränkt, also auf diejenige Fassung, welche dem Anerkennungsverfahren zugrunde gelegen hat. Anders ausgedrückt, muss er Art und Umfang der möglichen Abweichungen mit hinreichender Bestimmtheit vorgeben, was allen Beteiligten ein hohes Maß an antizipatorischer Kraft abverlangen dürfte. Für Bestandsstiftungen gilt dies ohnehin nicht, denn ihre „Errichtungssatzung“ kann nicht mehr geändert werden.
Bezüglich des neuen Stiftungsregisters mag man kritisch anmerken, dass das Grundgesetz dem Bund in Landesangelegenheiten nur dort Raum gewährt, wo er die Verwaltung in eigener Organisationsstruktur darstellen kann. Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz wird durch die Einführung des neuen Stiftungsregisters durchbrochen, welches zwar beim Bundesamt für Justiz geführt wird, dem aber die Landesbehörden zuarbeiten müssen. Dass aber ein bundeseinheitliches Stiftungsregister erforderlich ist, darüber besteht weitgehen Einigkeit. Man hätte dieses Register aber auch – nach einheitlichen Vorgaben – bei den obersten Landesbehörden oder bei den Amtsgerichten einrichten können.
Gut gemeint, aber vermutlich nicht durchweg gut gemacht. Trotzdem bleibt abzuwarten, wie die Praxis mit den neuen Regelungen umgehen wird. Bestandsstiftungen ist in jedem Fall dringend zu empfehlen, ihre Satzungsbestimmungen daraufhin zu überprüfen, ob innerhalb der kommenden zwei Jahre noch Änderungen vorgenommen werden müssen oder sollten, die danach nicht mehr möglich sind. In diesem Sinne lehren wir an der Allensbach University die Grundzüge des nationalen und internationalen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, Ansätze zur steueroptimierten Vermögensnachfolge und natürlich Stiftungsrecht. Insofern gibt es mehr Informationen beispielsweise im Rahmen unseres Studiengangs Master Finance (M.A.).
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