Die meisten großen Familienvermögen sind international allokiert. Das hat rechtliche und steuerliche Folgen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Brexit.
From Prof. Dr. Maximilian A. WerkmüllerProfessor of Finance and Family Office Management at the Allensbach University
Im Family Office Management spielen internationale Zusammenhänge eine große Rolle. Die meisten großen Familienvermögen sind international allokiert. Hinzu kommt, dass auch zahlreiche Familienmitglieder einen ausländischen Wohnsitz haben können. Die mit einer solchen „relocation“ verbundenen rechtlichen und steuerlichen Folgen sollte ein Family Office antizipieren und gemeinsam mit seinen Prinzipalen Lösungsansätze erarbeiten.
Ein aktuelles Beispiel für eine solche antizipierte Steuerplanung bietet der Brexit. Darauf konnten sich alle Beteiligten, jedenfalls in zeitlicher Hinsicht, gut einrichten. Die inhaltliche Ausgestaltung bleibt hingegen bis kurz vor Toresschluss spannend. Der befürchtete „harte Brexit“ blieb zwar aus. Dennoch bestehen viele drängende Fragen und Probleme weiter. Dies betrifft insbesondere das internationale Gesellschaftsrecht sowie das (grenzüberschreitende) Steuerrecht. Die nachfolgende Abhandlung nimmt eine Bestandsaufnahme vor.
Mit Blick auf das internationale Gesellschaftsrecht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass innerhalb der EU beziehungsweise des EWR seit einer Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 1999 („Centros“), spätestens aber seit der Entscheidung in der Sache „Überseering“ aus dem Jahr 2002 die sogenannte Gründungstheorie gilt. Dies bedeutet, dass eine Gesellschaft aus einem Mitgliedsstaat den Statuten ihres „Geburtsstaates“ auch dann weiterhin unterliegt, wenn sie ihren Sitz später in einen anderen Mitgliedsstaat der EU verlegt.
Für alle Drittstaaten gilt hingegen die sogenannte Sitztheorie. Gesellschaften unterliegen unabhängig von ihrem Gründungsstatut in einem anderen Staat den dort für vergleichbare Strukturen geltenden Gesetzen. Der Brexit hat damit unmittelbare Auswirkungen auf alle Gesellschaftsformen des englischen Rechts. Diese sind/waren aufgrund besonderer Ausgestaltungen, zum Beispiel des Haftungsregimes, für deutsche Unternehmen von Interesse.
Dies gilt etwa für die LLPs (limited liability partnerships), Ltds (private companies limited by shares) oder die PLCs (public limited companies), die bis dato aufgrund ihres Gründungsstatuts nach dem Recht ihrer Entstehung behandelt werden. Nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU bestand die Gefahr, dass diese Gesellschaften nunmehr nach der Sitztheorie beurteilt werden und dass zum Beispiel die Limited künftig nach den Kriterien des deutschen Gesellschaftsrechts beurteilt wird. Da die Limited, anders als die deutsche GmbH, keinen Gläubigerschutz bietet (z.B. weil kein Mindeststammkapital gesetzlich vorgeschrieben ist), bestand die Gefahr, dass sie künftig als GbR oder OHG behandelt würde.
Fachkreisen forderten deshalb bereits früh eine Weitergeltung der Anwendung des Gründungsstatuts, jedenfalls für eine Übergangszeit. Kurz vor Toresschluss, am 24. Dezember 2020, haben die EU und Großbritannien (doch noch) das Handelsabkommen geschlossen. Es regelt die Handelsbeziehungen nach dem Wirksamwerden des Brexit zum 1. Januar 2021. Dadurch können sich Limiteds auch nach dem Ausscheiden Großbritanniens weiterhin auf das Gründungsstatut berufen. Das heißt, sie werden auch künftig als haftungsbeschränkte (ausländische) Körperschaft anerkannt. Die Mitgliedsstaaten müssen das Abkommen allerdings noch ratifizieren.
Ohne eine entsprechende Regelung wäre den englischen LLPs, welche zum Beispiel die Komplementärfunktion einer deutschen KG übernommen hatten (Limiteds), möglicherweise ihre Qualifikation als Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht versagt worden, mit der Folge, das zahlreichen „Limited & Co. KGs“ ein Betriebsunterbrechung gedroht hätte. Die ertragsteuerlichen Folgen einer solchen Betriebsunterbrechung wären – insbesondere bei gewerblich geprägten Gesellschaften – immens gewesen. Da nicht sicher war, ob das Handelsabkommen abgeschlossen werden würde, sind zahlreiche Limited-Strukturen in Deutschland noch vor dem 31. Dezember 2020 vorsorglich beendet worden.
Es überrascht nicht, dass der Brexit auch im Bereich der bilateralen steuerrechtlichen Beziehungen Deutschlands zu Großbritannien beziehungsweise der multilateralen Beziehungen Englands zur EU eine erhebliche Schneise schlägt. Ab dem Zeitpunkt des Austritts ist das Vereinigte Königreich auch für steuerliche Zwecke als sogenannter Drittstaat zu behandeln. Steuerliche Regelungen, die aufgrund des EU-Rechts für EU-/EWR-Sachverhalte günstigere Rechtsfolgen vorsehen als für Drittstaaten-Sachverhalte, werden gemäß dem jeweiligen Wortlaut dadurch künftig im Verhältnis zum Vereinigten Königreich keine Anwendung mehr finden.
The Gesetz über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Steuerbegleitgesetz – Brexit-StBG) vom 25. März 2019 soll im steuerlichen Bereich verhindern, dass allein der Brexit eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Rechtsfolge auslöst, obwohl dieser bereits alle wesentlichen steuerlich relevanten Handlungen vor dem Brexit vollzogen hat („Brexit als schädliches Ereignis“).
Dort ist unter anderem geregelt, dass keine rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns in Fällen, in denen Unternehmensteile oder Anteile vor dem Brexit beziehungsweise vor Ablauf einer in einem Austrittsabkommen vereinbarten Übergangsfrist von einem britischen Steuerpflichtigen oder in eine britische Körperschaft zu Werten unterhalb des gemeinen Werts eingebracht wurden (§ 22 Absatz 1 und 2 UmwStG) erfolgt oder etwa eine Nachversteuerung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer für steuerbegünstigt übertragenes Vermögen, bei der allein der Brexit zu einem nachträglichen Entfallen der Voraussetzungen für eine gewährte Steuerbefreiung führen würde (§§ 13a—13c, 28a ErbStG).
Zudem wurde eine gesetzliche Klarstellung aufgenommen, dass der Brexit allein nicht die Rechtsfolge des § 12 Absatz 3 KStG (Auflösungsfiktion) oder des § 6 Absatz 5 Satz 4 AStG (Widerruf der Stundung bei der Wegzugsbesteuerung) auslöst und sichergestellt, dass eine anschließende Sitzverlegung oder ein anschließender Wegzug nach dem Brexit vom Vereinigten Königreich in einen anderen Drittstaat zur Besteuerung oder zum Widerruf der Stundung führt. Auch wurde klargestellt, dass der Brexit allein nicht zu einer Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven britischer Gesellschaften (zum Beispiel Limiteds) mit Geschäftsleitung im Inland führt (§ 12 Absatz 4 KStG).
Weitere Auswirkungen ergeben sich mit Blick auf die laufende Besteuerung insbesondere grenzüberschreitend tätiger Konzerne: Mit der Qualifikation Großbritanniens als sog. Drittstaat entfällt die Anwendung der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie, welche Dividendenzahlungen im grenzüberschreitenden Verkehr innerhalb der EU beziehungsweise des EWR steuerfrei stellt. Die Folge wäre eine unmittelbare Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich. Diese sieht derzeit – im besten aller denkbaren Fälle – eine Quellensteuer in Höhe von fünf Prozent vor.
Weitere Auswirkungen können sich mit Blick auf die Besteuerung sogenannter Zwischeneinkünfte englischer Kapitalgesellschaften bei deutschen Holdinggesellschaften ergeben. Zwar lässt das deutsche Außensteuerrecht seit einem Grundsatzurteil des EuGH den Nachweis einer aktiven unternehmerischen Tätigkeit zu, was bis dato eine Hinzurechnungsbesteuerung der Einkünfte der englischen Zwischengesellschaft beim deutschen Anteilseigner verhindert. Dies gilt jedoch nur dann und auch nur so lange, wie die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU oder des EWR unterhält (§§ 7 und 8 Außensteuergesetz). Entfällt diese Tatbestandsvoraussetzung, lebt die Hinzurechnungsbesteuerung wieder auf. Das Brexit-Steuerbegleitgesetz sieht hierzu keine Erleichterungen vor.
Mit Blick auf Personen, welche wesentlich, das heißt zu mehr als einem Prozent, an Kapitalgesellschaften beteiligt sind löst der Wegzug aus Deutschland und die Wohnsitznahme innerhalb des Vereinigten Königsreichs (unter weiteren Voraussetzungen im Übrigen) die sogenannte Wegzugsbesteuerung des deutschen Außensteuerrechts aus. Vollzieht sich der Wohnsitzwechsel innerhalb der EU, so wird die durch den Wegzug ausgelöste Veräußerungsgewinnbesteuerung (derzeit noch) so lange gestundet, bis der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegt oder er das Unternehmen tatsächlich veräußert.
Durch diese Vorschrift (§ 6 Außensteuergesetz) sichert sich Deutschland das Besteuerungsrecht an den bis zum Wegzug entstandenen sogenannten „stillen Reserven“. Seit dem Brexit genießen nur diejenigen Bestandsschutz, die bis zum Zeitpunkt seiner Umsetzung bereits ihren Wohnsitz in Großbritannien genommen hatten. Auch hier verwirklicht nur der Wegzug den Steuertatbestand. Ein Wohnsitzwechsel nach dem Brexit dürfte hingegen die Wegzugsbesteuerung auslösen.
Die vorausschauende rechtliche und steuerliche Planung von Lebenssachverhalten ist in einem Family Office obligatorisch und erfordert die Einbindung erfahrener Spezialisten. In unserem Family Office Management elective as part of our Master's program in Finance können wir dieses Spezialwissen nicht vermitteln. Dennoch bieten wir Ihnen eine solide Vermittlung von grundlegenden Kenntnissen an. Diese versetzen Sie in die Lage, zu erkennen, wo Spezialwissen erforderlich ist und wo möglicherweise nicht. Auch dies ist für einen Family Officer besonders wichtig.
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