Gerade Ethik und der Glücksbegriff spielen für moderne Leadership-Überlegungen, insbesondere in den Generationen Y und Z, eine herausragende Rolle. Die Grundlage dafür findet sich bereits in der Antike in Aristoteles‘ fundamentaler Schrift Nikomachische Ethik. Das Konzept der Eudaimonie ist in Purpose, New Work und New Normal wesentlich für Strategie und Führung.
From Prof. Dr. habil. Robert Neumann, Professur für Betriebswirtschaftslehre, mit den Schwerpunkten Organisation, Personal und Management, und Prof. Dr. Patrick Peters ,Professur für PR, Kommunikation und digitale Medien an der Allensbach University
Nicht allein, aber vor allem durch die Erfahrungen der Covid-19-Pandemie hat international ein Umdenken in der Mitarbeiter- und Unternehmensführung stattgefunden. Das hat generell etwas mit veränderten Lebenshaltungen zu tun. Covid-19 hat zu neuen Betrachtungsweisen und Bewertungsmustern hinsichtlich Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft geführt. Bestimmte Parameter haben an Bedeutung verloren, andere dafür erheblich gewonnen.
An diesem Wendepunkt stellen sich insbesondere Fragen rund um Leadership-Prinzipien und die Strukturierung der Arbeitswelt der Zukunft. Kann es ein „Weiter so!“ geben oder werden sich fundamentale Veränderungen einfinden, die mit traditionellen Kategorien kaum zu erfassen sind? Letzteres scheint der Fall zu sein. New Work und New Normal, Purpose und Ethical Leadership, alles in Verbindung zur großen Frage der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit, das sind die Schlagwörter in der breiteren Strategie- und Führungsdiskussion.
Gerade Ethik und der Glücksbegriff spielen für moderne Leadership-Überlegungen, insbesondere in den Generationen Y und Z, eine herausragende Rolle. Die Grundlage dafür findet sich bereits in der Antike in Aristoteles‘ fundamentaler Schrift Nikomachische Ethik. Aristoteles entwickelt in der Nikomachischen Ethik das Konzept der Eudaimonie als einem Kernbegriff der antiken Philosophie. Der Begriff geht auf das altgriechische „εὐδαιμονία“ zurück, das so viel bedeutet wie „von gutem Geist“. Gewöhnlich wird Eudaimonie einfach mit „Glück“ oder „Glückseligkeit“ übersetzt.
Aristoteles formuliert in der Nikomachischen Ethik die Eudaimonie als das für einen Menschen höchste Gut. Das Endziel ist die Erlangung des eigentlichen Guten, das an der Spitze aller Güter steht. Somit besteht die Hauptaufgabe der philosophischen Ethik darin zu bestimmen, was das höchste Gut ist. Bei Aristoteles heißt es konkret: „Jede Technik und jede Methode, desgleichen jedes Handeln und jedes Vorhaben zielt, wie es scheint, auf irgendein Gut ab; deshalb hat man das Gute treffend als das bezeichnet, worauf alles abzielt.“ (NE I 1, 1094a)
Damit kann Aristoteles als einer der Vorreiter der modernen Leadership-Diskussion angesehen werden: „In his works, The Nicomachean Ethics and Rhetoric, Aristotle provided us with a vivid description of what an individual should strive for in life, which many have applied in all walks of life, including leadership.“ (Nelson 2015, p. 1) Kurz gesagt: Eudaimonie, Glückseligkeit, wird um ihrer selbst willen erstrebt. Alle anderen Güter werden nur benötigt, um dieses Ziel zu erreichen. Damit ist Eudaimonie das vollkommene und selbstgenügsame Gut und das Endziel des Handelns und das „Erstrebenswerteste von allem, und zwar so, dass man ihm nichts mehr hinzufügen kann“ (NE I 5, 1097b).
Das Gutsein wird zum Maßstab des Handelns, ist der höhere Zweck und das Ziel der Existenz, sodass dies bereits den Weg zum modernen Verständnis von Purpose weist: Die Purpose-Orientierung stiftet einen übergeordneten Sinn, der nicht durch beiläufige Handlungen zu erreichen ist. Das Gute als Zweck des Lebens ist menschliche Handlungsmaxime und identitätsstiftende Kategorie. Dieses identifikatorische Potenzial hat auch das Purpose im unternehmerischen Kontext. Der Purpose-Begriff steht für den höheren Zweck einer Organisation (i.e. in der Regel ein Unternehmen), der im Sinne der wertorientierten Unternehmensführung deutlich über die Gewinnorientierung hinausgeht.
Damit bewegt sich der Purpose-Begriff sehr nahe am Verständnis von Glück nach Aristoteles: Wie Eudaimonie das ultimativ erstrebenswerte Ziel des Menschen aus der Sicht des vierten vorchristlichen Jahrhunderts ist, ist Purpose die Losung für die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Es ist das, was wirklich gewollt ist und zu einem höheren Gut hinweist. Das Thema „Purpose“ zeigt sich vor allem deutlich im Wandel von der Ausrichtung auf das Shareholder Value (also ein Bewertungsansatz, der den Wert eines Unternehmens aus der Sicht der Eigentümer ermittelt und de facto ausschließlich deren Interessen im Sinne von Wertsteigerungen und Renditen bedient) hin einer Stakeholder Value-Orientierung. Das Konzept besagt, dass Wirtschaftsorganisationen „nicht nur die Interessen der Anteilseigner (Shareholder), sondern aller Anspruchsgruppen, ohne deren Unterstützung das Unternehmen nicht überlebensfähig wäre berücksichtigen“ (Breuer o.J.).
Das ist entscheidend im Kontext von New Normal. Welchen Sinn und Zweck verfolgt eine Organisation, und welche Ziele erreicht sie mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen? Werden neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit genutzt, und unterwirft sich eine Organisation der Trias aus digitaler, ökonomischer und ökologischer Transformation? In Zeiten des New Normal als Ausdruck einer sich verändernden Arbeitswelt ist der Zweck einer Tätigkeit ein entscheidendes Kriterium im derzeitigen Paradigmenwechsel des wirtschaftlichen Wertesystems. Arbeit bedeutet mehr und mehr Identifikation und Motivation, Flexibilität und Unabhängigkeit, die Werteverschiebung von Geld zu Sinnstiftung und die Suche nach Möglichkeit, die Welt besser zu machen und negative Auswirkungen bisherigen Tuns abzumildern.
Ziel dieser fundamentalen Neuausrichtung ist, durch unternehmerisches und Führungshandeln einen weitergehenden Zweck zu erschaffen, der als übergeordnetes Bild einer Unternehmens- und Führungskultur wahrgenommen wird. Somit hat Robert Neumann dies als „Big Picture“ bezeichnet, als Beschreibung einer detailgenauen, realistischen Existenz in der Zukunft, Orientierung und Perspektive ermöglicht, das Ziele konkretisiert und operationalisiert und das vor allem den Sinn und Nutzen einer Tätigkeit erkennen lässt (Neumann 2020, S. 17).
Purpose ist letztlich als übergeordnetes Managementprinzip zu verstehen, um Arbeit, Sinn und Zweck zusammenzubringen. Es ist die Stakeholder-Orientierung schlechthin, diese drei Elemente zu verbinden, um über alle Stakeholder-Ebenen hinweg das Purpose des Unternehmens zu verankern und den nachhaltigen Wert über betriebswirtschaftliche Kennziffern hinaus zu kommunizieren und zu positionieren. Wenn Arbeit Sinnsuche und Sinnerfüllung sein kann und soll, muss die Tätigkeit eben zwangsläufig mit einem bestimmten Sinn verbunden sein – gerade im New Normal. Sonst ist die Suche end- und zwecklos. Vielmehr soll Lebens- und Arbeitszeit einem höheren Zweck dienen, der nicht intrinsisch-hedonistisch motiviert ist. Das ist die große Brücke von Aristoteles ins 21. Jahrhundert: Eudaimonie für einen und für viele zugleich ist die Aufgabe von Führungsethik und Purpose.
Das Streben nach Glück im Sinne einer Allgemeinwohlorientierung und Abkehr von einer profitkonzentrierten Systematik ist gerade bei den jüngeren Generationen Y und Z die intrinsische Motivation als Bezugsgruppe einer Organisation, ob als (potenzieller) Kunde oder als Mitarbeitender. Purpose und Führungsethik müssen sicherstellen, dass diese Ziele definierbar, kommunizierbar und umsetzbar sind. Dadurch gewinnen Organisationen Authentizität und Wirkung in einem stark disruptiven, transformatorischen Umfeld, das von weitreichenden Herausforderungen geprägt ist.
Es ist möglich, nach den aristotelischen Tugendethik zu führen und die Bedürfnisse der Bezugsgruppen damit zu erklären. Das Gutsein ist Zweck und Ziel der Existenz, sodass dies den Weg zum modernen Verständnis von Purpose weist. Dadurch stiftet die Purpose-Orientierung einen übergeordneten Sinn und Nutzen, der nicht durch beiläufige oder einmalige Handlungen zu erreichen ist. Das Gute als Zweck des Lebens ist menschliche Handlungsmaxime und identitätsstiftende Kategorie. Dieses identifikatorische Potenzial hat auch das Purpose im unternehmerischen Kontext.
Führungskräfte und die, die es werden wollen, können ihre Leadership-Kompetenzen beispielsweise mit den Hochschulzertifikaten „Personalführung für Manager“ and „Personalentwicklung und Mitarbeitermotivation“ an der Allensbach Hochschule ausbilden. Die Gestaltung von Leadership in der Praxis gibt den Teilnehmer:innen verschiedene Führungsinstrumente an die Hand, mit welchen Personalführung umgesetzt werden kann. Im Rahmen der Vertiefung „PR- und Kommunikationsmanagement“ (Bachelor Betriebswirtschaftslehre online (B.A.)) lernen Studierende zudem wesentliche Prinzipien der Führungskräfte- und Mitarbeiterkommunikation kennen.
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