– Kurzfassung eines hier erhältlichen Arbeitspapiers –
Von Prof. Dr. Gunnar Stark, Professur für Finanzen und Studiengangleitung M.A. Finance an der Allensbach Hochschule
„Deutscher Mittelstandsanleihen FONDS“ (folgend nur „DMAF“ oder „Fonds“) heißt ein eigentlich offenes Investmentvermögen, das vornehmlich in vergleichsweise hochverzinsliche, selten gehandelte Schuldverschreibungen deutscher, mittelständisch geprägter Unternehmen investiert.
Aufgelegt vor knapp zehn Jahren, erzielt der DMAF durchgängig eine laufende Ausschüttungsrentabilität von gut vier Prozent p.a. bezogen auf seinen anfänglichen Ausgabepreis (50 Euro pro Anteilschein), wobei der Anteilwert etliche Jahre unter nur geringen Schwankungen um diesen Ursprungsbetrag fluktuierte. Mit Beginn der Coronapandemie begann der Anteilwert stärker zu schwanken und sank mit dem zunehmenden Börsenwertverfall vieler Mittelstandsanleihen erheblich herab auf zuletzt unter 37 Euro Mitte Januar 2023.
Abbildung: Entwicklung des Anteilscheinpreises (Rücknahmepreis; Quelle: comdirect.de)
Seither sind die Berechnung des Anteilscheinpreises und einhergehend die Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen ausgesetzt. Dieses für einen offenen Wertpapierfonds seltene Ereignis wird begründet mit der Kursaussetzung einer im Fondsvermögen wertmäßig mit knapp 4 % gewichteten Anleihe.
Für die weitere Geschichte des DMAF bestehen insbesondere zwei alternativ mögliche Pfade, die aus der Krise seiner Schließung herausführen:
Inzwischen – Mitte Juni 2023 – hat die Fondsverwaltung verkündet, dass beschlossen sei, den Fonds in Liquidation zu setzen. Dagegen soll sich organisierter Widerstand einer „überwältigende[n] Mehrheit von institutionellen und privaten Anlegern“ des DMAF regen.
Unabhängig von dieser abzuwartenden Entwicklung wird im Arbeitspapier die Lage des Fonds untersucht unter Ermittlung und Analyse gegenwärtiger wie historischer Daten im Rahmen theoretischer finanzwirtschaftlicher Überlegungen, aus denen hier vorgetragen wird.
Zentral für die angestrebte Verdeutlichung der Fondslage, seiner Chancen und Gefahren, ist der Wert des Fondsvermögens, für das trotz der ausgesetzten Anteilspreisermittlung Anhaltspunkte bestehen, die im Arbeitspapier aufbereitet und eingeschätzt sind. Es soll damit eine Portfoliowertfortschreibung für jene der seinerzeit dokumentierten rund 80 Anleihen betrieben werden, welche heute noch börsengelistet sind.
Diese offenbart beträchtliche Werteinbußen sowohl für die Teilperiode seit dem Halbjahresultimo 2022 als auch seit dem Schließungstag des DMAF:
Als Schätzergebnis ist festzuhalten, dass der theoretische Anteilwert statt einstmals 50 € bzw. zuletzt 36,48 € noch knapp 30 Euro betragen würde.
Somit hätte eine baldige Wiederöffnung zu einem noch einmal erheblich verringerten Anteilspreisniveau stattzufinden. Um die Chancen einer dauerhaften Wiederöffnung zu beurteilen, rekonstruiert das Arbeitspapier die Rücknahmehistorie mit folgendem Ergebnis:
Seit November 2021 verlor der DMAF bis zum Tage seiner Schließung gut ein Jahr später allmonatlich Mittel bei tendenziell sinkenden Anteilspreisen. Der bekannte Zusammenhang zwischen Mittelaufkommen und Anteilspreisniveau spiegelt sich in diesen Zahlen wider.
Hieraus wiederum leiten sich zwei essentielle Fragestellungen ab:
Zentral ist hierbei die in vielerlei Hinsicht kritische Gruppe jener Anteilinhaber:innen, die durch den Sachverhalt der Schließung verschreckt worden sind. Diese können entweder
Mit dem letzten Punkt ist das Damoklesschwert, das über einem wiedereröffneten Fonds hängt, angesprochen: Ein möglicher Fonds-Run. Investierte, die einst keinerlei Absicht gehegt hatten, ihre Anteile zur Rücknahme vorzulegen, tun dies ausschließlich darum, weil sie entweder
Die Bewertung des DMAF und damit die Anteilspreisermittlung (nach Wiederöffnung) richten sich, wie bei Wertpapierfonds üblich, nach den Börsenkursen seiner Anleihen. Anders als etwa bei Aktien hoher Handelsliquidität basieren die Kurse der nämlichen Mittelstandsanleihen oftmals auf sehr geringen Börsenumsätzen, stellen häufig gar umsatzlose Kursnotizen dar. Bei solcherlei zustandekommenden Börsenkursen ist oft fraglich, ob sie einen „wahren“ Anleihepreis reflektieren bzw. ob die nämliche Kursnotiz auch jenem Preisniveau entspricht, das bei großen – börslichen oder außerbörslichen – Umsätzen Platz griffe.
Insbesondere ein sehr niedriges Börsenkursniveau der Anleihen des DMAF würde diesem helfen, die Zahl der rückgabewilligen Anleger:innen zu verringern. Dies wird am gedanklichen Extremfall eines für alle Anleihen einheitlichen Bewertungskurses von null Prozent deutlich; dann nämlich sänken Fondsvermögen und Anteilwert ebenfalls Richtung null Euro, so dass wohl sämtliche Anleger:innen ihre Anteile in der Hoffnung auf künftige Kursanstiege bzw. Anleihetilgungen behielten. Mit anderen Worten: Es gibt ein „kritisches“ Bewertungsniveau, ab dem der Anteilspreis so gering wäre, dass die Verlustrealisation einer Anteilscheinrückgabe für die meisten Anteilinhaber:innen nicht mehr in Betracht käme.
Die Anteilscheine des DMAF sind selbst börsliches Handelsobjekt, jüngste Kurse um 14 €.
Diesen Kurseinbruch kann man
Einem Öffnungsspekulanten kann die fundamentale Qualität insoweit gleichgültig sein, wie er darauf vertraut, dass nach einer Öffnung die Rückgabe seiner zuvor börslich erworbenen Anteilscheine zu jenem mutmaßlich den vormaligen Börsenkurs übersteigenden Rücknahmepreis möglich wäre, der sich aus den – wie auch immer zustandekommenden – Börsenkursnotizen der Fondsanleihen speist.
Gegen Ende Juni 2023 indiziert das im Arbeitspapier fortgeschriebene Portfolio im Vergleich zu den dort tabellierten Börsenkursen aus dem Vormonat eine weitere Wertverringerung um rund 5 Mio. Euro, Portfoliowert nunmehr rund 90 Mio. Euro.
Die Frage bleibt, bis wann und zu welchem Betrag das Anleiheportfolio in Liquidität umgewandelt sein wird. Die Antwort des börslichen DMAF-Anteilscheinhandels gibt bei geschätzt ca. 3,6 Mio. Stück Anteilscheinen eine Marktkapitalisierung des DMAF bei Kursen von knapp 14 € die runde Zahl von 50 Mio. Freilich darf man unterstellen, dass die börsliche Käuferseite eine nicht vernachlässigbare Risikoprämie einpreist, also mit einem späteren Rückfluss aus der Liquidation – oder gar Öffnung? – von mehr als 14 € respektive 50 Mio. rechnet.
Die insoweit aufscheinende, mit gut 40 Mio. € oder knapp 50 % Discount bezifferte Differenz zwischen
ist zerlegbar in
Dass ein beträchtlicher Teil auf den hier unter 1) subsumierten Effekt entfallen mag, würde nicht verwundern. Denn die Verhandlungsposition des DMAF bei der Suche nach Käufern für seine Anleihen legt im aktuellen Marktumfeld für Mittelstandsanleihen nahe, dass die nachmaligen Käufer nur um die Einräumung eines erheblichen Abschlages auf die börsliche Kursindikation zu gewinnen sein werden.
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