Prämiensparen: Das Tauziehen geht weiter

Von Prof. Dr. Gunnar Stark, Professur für Finanzen an der Allensbach Hochschule

Im ganzen Land streiten Sparer für eine höhere Verzinsung ihrer Prämiensparverträge, seit der billig ermessene Zinssatz als unrechtens gilt. Unser Blog nimmt sich des Themas ein zweites Mal an: Zur zivil- und bankaufsichtsrechtlichen Perspektive sei an den Beitrag https://www.allensbach-hochschule.de/banking-tauziehen-um-praemiensparvertraege/ erinnert. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Sache hinsichtlich der Zinssatzbestimmung an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen. In diesem Kontext sei folgend auf die finanzwirtschaftlichen Aspekte verwiesen.

Worum geht es?

Ein Prämiensparvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Kreditinstitut und Kunde zur ratierlichen, typischerweise monatlichen, Entrichtung von Sparbeiträgen auf ein verzinsliches Sparkonto. Zusätzlich zur Verzinsung des je erreichten Sparkontoguthabens gewährt das Kreditinstitut nach einer bestimmten, institutsabhängig unterschiedlich gefassten Numerik sogenannte Prämien. Der Prämiensatz ist ein laufzeitabhängiger Prozentpunktsatz. Bemessungsgrundlage der Prämie ist anders als beim Zins nicht das (gesamte) Kontoguthaben, sondern lediglich die Summe der Sparbeiträge des der Prämiengutschrift vorangegangenen Sparjahres, was optisch hoch anmutende Prozentsätze zulässt mit Prämiensätzen für die letzten Laufzeitjahre von beispielsweise 50 Prozent.

Worüber wird gestritten?

Anders als die Prämiensätze wurde der Zinssatz häufig, insbesondere im Sparkassensektor, nicht festgeschrieben, sondern variabel vereinbart und zwar nach billigem Ermessen durch das Kreditinstitut. Dieser billig bemessene variable Zinssatz wurde laufend bekannt gemacht, etwa durch Aushang. Die Kundschaft hatte regelmäßig die Möglichkeit, den Sparvorgang jederzeit kurzfristig zu beenden und das Guthaben nach Verstreichen einer Kündigungsfrist zu empfangen, sei es aufgrund Unzufriedenheit mit ebenjenem billig ermessenen Zinssatz oder sonstiger Gründe.

Gleichwohl erging eine Rechtsprechung des BGH, welche alle Kunden der Prämiensparverträge – auch jene, die jahrzehntelang den billig ermessenen Zinssatz klaglos hingenommen haben – in die Lage versetzt, von ihrem Kreditinstitut einen anderen, das heißt in der Regel freilich: höheren, Zinssatz zu begehren, da die billige Bemessung unrechtens gewesen sei. Dieses Recht besteht rückwirkend für Jahrzehnte, weil die Verjährungsfrist nicht auf den Zeitpunkt der Zinsgutschrift abstellt, sondern frühestens auf das Vertragsende.

Welches Problem ist zu lösen?

Somit entsteht das Problem, wie der im Nachhinein als unrechtens verworfene Zinssatz ersatzweise zu bestimmen ist. Im Rahmen einer Vertragsauslegung ist ein solcher Zinssatz zu finden, der unter redlichen Vertragsparteien – Kreditinstitut und Kunde – (mutmaßlich) statt des nachmalig als unrecht erkannten Zinssatzes vereinbart worden wäre, so die Vertragsparteien schon im Abschlusszeitpunkt des auszulegenden Vertrages um die Ungültigkeit eines billig ermessenen Zinssatzes gewusst hätten.

Wie wurde es – bisher – gelöst?

Solcherlei höchstrichterliche Vorgabe haben andere Gerichte in der Folge umgesetzt durch Orientierung an einer Renditegröße aus der Statistik der Bundesbank: der Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen für Hypothekenpfandbriefe mit einer Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren, nach der früheren Kennung die Zeitreihe WX4260, welche nach einer amtlichen Umbenennung nun die feinere Bezeichnung BSIS.M.I.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A trägt.

Ist die bisherige Lösung gut?

Dessen ökonomische Eignung hält jedoch einer finanzwirtschaftlichen Analyse nicht Stand. Ziel solcher Analyse ist, die Eignung von WX4260 als Ersatzzinsgröße festzustellen, indem ihre Eigenheiten mit elementaren Überlegungen geprüft werden. Hierbei werden Argumente für und gegen WX4260 erörtert, eine Alternativlösung vorgeschlagen und steuerliche Aspekte skizziert. Dabei wird auch eine ökonomische Argumentation des BGH unter die finanzwirtschaftliche Lupe genommen.

Die Analyse – welche den Rahmen dieses Blogs sprengen würde – lesen Sie in der jüngsten Ausgabe unserer „Zeitschrift für interdisziplinäre ökonomische Forschung“: Finanzwirtschaftliche Analyse der Rechtsprechung zu Prämiensparverträgen, 2021, S. 53 – 60. https://www.allensbach-hochschule.de/hochschule/zeitschrift/

Eine journalistische Kurzfassung hat die Börsen-Zeitung in ihrer Printausgabe vom 06.01.2022, Nr. 3, S. 2 als Gastbeitrag „Zinsirrtümer im Prämiensparstreit“ veröffentlicht, dessen leicht modifizierte Onlineversion frei zugänglich ist: https://www.boersen-zeitung.de/banken-finanzen/irrweg-im-praemiensparstreit-734cb5ee-51bb-11ec-b45e-40d03ac0b54e

 

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